artikelkopie ©werbeanzeiger 01.07.2013


"Dauer-Baustelle treibt uns in den Ruin"

Geschäftsleute an der Landsberger Straße sind verzweifelt

 

Es kommt keine Laufkundschaft mehr. Weder zu Fuß noch mit dem Auto. Denn die Landsberger Straße ist aufgerissen, die Fahrbahn eng, der Fußweg schmal, kein Parkplatz weit und breit. Der Baulärm ist ohrenbetäubend, manchmal fällt der Strom aus, dann geht gar nichts mehr. "Für ein Jahr kann man so eine Baustelle vor der Tür ja noch verkraften, aber es geht ja seit fünf Jahren so", klagt Anton Wagner, geschäftsführender Gesellschafter der Firma Wagenblast in der Landsberger Straße 458 (zwischen Offenbachstraße und "Am Knie"). Er hat massiven Umsatzeinbruch zu verzeichnen und ist wütend auf die Stadt – zum einen auf die Stadträte, die die Planung so beschlossen haben, zum anderen aufs städtische Baureferat, das seiner Meinung nach die Arbeiten schlecht koordiniert. "Die Anrainer müssten im Vorfeld in solche Planungen mit einbezogen werden. Immerhin zahlen wir viel Gewerbesteuer. Unsere Firma hat hier 35 Arbeitsplätze, die gefährdet sind, aber das interessiert niemanden."

Klage gegen die Stadt?

Wagner, der Jalousien, Markisen, Rolläden, Fenster und Türen verkauft, hat sich bei seinen Nachbarn umgehört, die alle genau das Gleiche berichten: die Umsätze sind im Keller, die Nerven liegen blank. Im Besprechungsraum von Wagners Firma haben sich fünf der Anlieger eingefunden, um sich zu beraten: Kann man vielleicht gemeinsam die Stadt auf den Umsatzeinbruch verklagen? "Das können wir vergessen", sagt Ruth Lanninger, Geschäftsleiterin von "Super Wash München", der Waschanlage an der Landsberger Straße 434. "Wir haben das von einem Anwalt prüfen lassen. Eine Chance hätten wir nur, wenn wir bereits im Vorfeld gegen das Bauvorhaben geklagt hätten."

Ein bisschen spät sind sie dran mit ihrer Empörung, aber dass es so schlimm kommen würde, damit hatten die Geschäftsleute einfach nicht gerechnet. Vielleicht könnten sie ja eine Reduzierung der Gewerbesteuer erwirken, schlägt Werner Petereit vom Baubüro Petereit vor. Er bietet sich an, Daten und Zahlen der vergangenen fünf Jahre zusammenzutragen, damit man sich an den Obersten Bayerischen Rechnungshof wenden kann, wegen Verschwendung von Steuergeldern: "Auch für die Stadt München gibt es eine Rechnungsprüfung."

"Die hauen das Geld raus, dass es grad so pfeift", ereifert sich Anton Wagner. Die Trambahngleise seien vor gerade mal zwei Jahren erneuert worden, jetzt werden sie schon wieder erneuert. Als Rasengleis. "Wenn vor der Tür die Gleise rausgerissen werden, bebt es bei uns im Büro so sehr, dass die Bildschirme von den Schreibtischen rutschen", berichtet Wagner. Die teuren Gleise könne man sich doch überhaupt sparen, merkt er an: Elektrobusse mit Oberleitungen seien eine wesentlich kostengünstigere Alternative.

Grün gegen Auto

Da kommen die politischen Entscheidungen ins Spiel: "Die Grünen wollen alles begrünen", meint Werner Petereit, "ohne dass Geld für die Pflege da ist. Aus den Trambahngleisen werden bald Biotope." Pasing sei zur parkplatzfreien Grünzone erklärt worden ohne Rücksicht auf das anliegende Gewerbe. Bei den Anlieger-Versammlungen sei man nur über beschlossene Tatsachen informiert worden. "Man weiß nicht, was die Stadt überhaupt anstrebt mit der Landsberger Straße", sagt Ruth Lanninger. "Früher war das eine Automeile, deshalb haben wir uns ja auch hier angesiedelt. Jetzt wollen sie das Auto nicht mehr haben." An ihrem Standort habe sie insgesamt wohl zehn Jahre Baustelle, direkt vor der Zufahrt zur Waschstraße gähne ein tiefes Loch, ein Start-Schacht für die Kanalisation.

Ob alteingesessene Geschäfte überhaupt noch erwünscht seien in Pasing, fragt sich die Runde. "Wir ziehen weg", berichtet Catrin Graf, Geschäftsführerin von Graf Dichtungen an der Landsberger Straße 462. Sie hat eine Grafik ihrer Umsatzentwicklung mitgebracht, es geht steil nach unten. "Es ist schade, wenn die kleinen Spezialgeschäfte vertrieben werden."

Stadtrats-Antrag läuft

Über den schleppenden Verlauf der Bauarbeiten und die damit verbundenen Belastungen hatten sich auch schon andere Pasinger Geschäftsleute beschwert, etwa aus der Gleichmannstraße. Den Vorwurf, niemand würde sich für ihre Sorgen und Nöte interessieren, können zumindest die CSU-Stadträte Josef Schmid und Tobias Weiß schwarz auf weiß kontern: Sie haben bereits am 24. Mai einen Stadtratsantrag mit dem Titel "Dauerbaustelle Pasing" gestellt. Das Baureferat muss zu folgenden Fragen Stellung nehmen: Wie sieht der Zeitplan für alle in Pasing laufenden oder noch ausstehenden Bauarbeiten aus? Gibt/gab es Verzögerungen in den Bauabläufen, wenn ja, warum? Welche Möglichkeiten gibt es zur Beschleunigung? Wie kann die Parkplatzsituation sowie die Erreichbarkeit vor Ort verbessert werden? Gibt es Überlegungen, Betroffene, die über Gebühr von den Baumaßnahmen betroffen sind, zu entschädigen?

Nachdem dieser Antrag noch nicht beantwortet ist – als Bearbeitungsfrist ist der 24.08.2013 angegeben – gibt das Baureferat auch gegenüber dem Werbe-Spiegel bis dahin zu diesen Fragen keine Auskunft.

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